Kontaktwinkelstabilisierung durch Niveauregulierung

Verbesserung von Präzision und Richtigkeit bei Kontaktwinkelmessungen, bei Messung von Ober- und Grenzflächenspannung, bei Sorptionsmessungen ...

Wir stellen hier eine weitere wichtige Erfindung zur Verbesserung einiger klassischer Messmethoden vor.
Bei Kontaktwinkelmessungen gemäß der Wilhelmy-Plattenmethode (IMETER M4) wird ein normalerweise platten- oder zylinderförmiger Körper in Flüssigkeit eingetaucht. Der Kontaktwinkel zwischen Körper und Flüssigkeit wird aus dem Meniskusgewicht und der Länge der Benetzungslinie berechnet. Das Gewicht des Meniskus' wird dazu aus der Gesamtwägung des Körpers unter Berücksichtigung des Auftriebs gerechnet. Für die Berechnung der Auftriebskraft ist die exakte Kenntnis über das tauchende Volumen des Körpers erforderlich. Folglich muss die tatsächliche Eintauchtiefe genau bekannt sein. Und es muss die Flüssigkeitsoberfläche als Bezugsebene für die Kontaktwinkel konstant und plan vorliegen. Die beiden Skizzen unterhalb verbildlichen, gemäß Fig1. wie das Verfahren bisher angewendet wird, rechts mit Fig.2, wie die Problembehebung bewerkstelligt wird:


UsualWayFig.1: "Klassisch" - Der eintauchende Körper hebt den Flüssigkeitspegel. Die Dreiphasen- grenzlinie an der Gefäßwand findet sich dort durch die Kontaktwinkelhyste-rese oft festgehalten. Der Pegel steigt dadurch nicht einfach linear mit der Eintauch-ung. Die Eintauchtiefe des Körpers ist dadurch praktisch nicht exakt bestimmbar und die mögliche Wölbung der Flüssigkeits-oberfläche bedingt einen zusätzlichen systematischen Messfehler.
Bewegen Sie für eine Animation den Mauscursor in die Grafik!

 ANewWayFig.2: Mit "Niveauregulierung" - Mittels einer Kolbenpumpe wird hier die pegelhaltende Flüssigkeitsmenge ein- bzw. ausgepumpt. Das jeweils richtige Pumpvolumen wird aus während der Messung bekannten Größen dynamisch bestimmt. -- Beim Erstkontakt von Körper und Flüssigkeit wird die Gewichtsänderung infolge der Menikusbildung registriert und das entsprechende Volumen ein- oder ausgepumpt und die Referenzhöhe gesetzt. Das Ausgleichsvolumen beim Eintauchen wird über die Geometrie des Körpers und die Flüssigkeitsdichte sowie die Beweggeschwindigkeit berechnet und per entsprech-ender Pumprate synchron zur Bewegung abgesaugt bzw. beim Herausziehen hinzugefügt.

Pic SetupWithPumpFig.3: Messaufbau für Kontaktwinkelmessungen M4 in einem IMETER-Gerät. Probe und Flüssigkeit sind temperiert und atmosphärisch isoliert. - Die Kolbenpumpe befindet sich im Bild rechts. Sie wird direkt vom Messprogramm aus parametriert gesteuert und bietet ein breites Geschwindigkeitsspektrum und linear beschleunigte Volumenförderungen.

In einem Experiment - ohne und mit Niveauregulierung - wurde der Kontaktwinkel zwischen Polyethylen (HDPE bzw. PE-HD) und Wasser bestimmt. Die Messung wurde in einer Sequenz mehrfach wiederholt und in einer Repetition wurde die Niveauregulierung deaktiviert. Der Durchmesser des Polyethylen-Rundstabes beträgt 8,3 mm, der Gefäßdurchmesser der Temperiermesszelle 43 mm. In Fig.4 bildet nun das Ergebnis für das klassische Messverfahren, d.h. Messung bei deaktivierter Pumpe, ab, Fig.5 dagegen jenes, welches mittels der neuen Technik erhalten wurde.

DiagrammKoWi NoPump NoCorrFig.4: "Klassisch" - Die roten Markierungen geben den Kontaktwinkelverlauf entlang einer Länge von 12 mm für den Eintauchvorgang an (Advancing Contact Angle), die günen Zeichen geben die Kontaktwinkel beim Herausziehen wieder (Receiding Contact Angle).
Hier wurden auch rechnerisch keine Positionskorrekturen angewendet, deshalb weisen die Kurven eine deutliche Steigung auf.
Wenn Sie den Mauscursor in die Grafik bewegen, wird ein etwas anderes Bild angezeigt; hier wird die Position geometrisch korrigiert und die Annäherung an einen waagerechten Verlauf ist bereits deutlich.
DiagrammKoWi PumpFig.5: Die "Niveauregulierung" führt dazu, dass für den Ein- und Austauchvorgang  konstante Kontaktwinkel bestimmt werden können.

Die Diagramme in Fig.4 und Fig.5 stammen von Prüfberichten zu Messungen. Die Prüfberichte stehen über die beiden folgenden Links als PDF zur Verfügung:  ⇒(1)"klassisch",  ⇒(2)"Niveauregulierung".

HDPE Wasser CompCurves0Fig 6: Überlagerung mehrerer Kontaktwinkeldiagramme aus Messwiederholungen an PE-HD / Wasser. Die rote Kurve stammt von der Wiederholungsmessung bei deaktivierter Pumpe - und zeigt ein falsches Resultat.
Die Diagramme (Fig.4, 5 und dieses) stellen das Ergebnis der Kontaktwinkelmessung beim Ein- und Austauchen dar. Der zylindrische HDPE Stab ist rechtwinklig-scharfkantig geschnitten und das Material gegenüber Wasser schlecht benetzbar - dies erklärt den Kontaktwinkelverlauf mit Anstieg und Überspannung bei Eintauchen bis ca. 2mm. Bei der Eintauchtiefe 12 mm wird die Beweg- und Pumprichtung umgekehrt wobei die Dreiphasengrenzlinie auf der Oberfläche des Stabes festgehalten wird und sich so die "Kontaktwinkelhysterese" als steilen Kurventeil über eine Beweglänge von ca. 0.8 mm abbildet. 

 


Es ist ersichtlich, dass eine einfache Kontaktwinkelmessung des Regelungsaufwandes nicht bedarf, solange das Verhältnis von Flüssigkeitsoberfläche und eintauchendem Körperquerschnitt groß bleibt. Das Auftreten der Problematik wurde bisher durch andere Maßnahmen zurückgedrängt, nämlich durch solche, die die Kontaktwinkelhysterese der Flüssigkeit an der Gefäßwand verminderten. Beispielsweise indem die Gefäßwand durch Behandlung oder eine Ausstattung mit einem Platindrahtnetz total benetzbar gemacht wird. Ansonsten führt ein möglicher Slip-Stick Effekt der Messflüssigkeit auf der Gefäßwand zu Schwierigkeiten und befördert Fehler bei der Interpretation.
Bei Messung relativ großvolumiger Proben und wenn teure oder giftige Messflüssigkeiten zum Einsatz kommen, ist das neue Verfahren allerdings signifikant vorteilhaft, besonders auch bei Messaufgaben wo Oberflächeneinheitlichkeit oder Effekte einer Oberflächenbehandlungen auf einer Prüfkörperoberfläche untersucht werden.
Grundsätzlich ist es ja so, dass eine Messtechnik dadurch robust und zuverlässig wird, indem sie Fehler, die rechnerisch korrigiert werden müssen, besser gleich systemisch vermeidet. Zumal eine exakte rechnerische Korrektur in diesem Fall bereits von der dafür erforderlichen Ermittlung der Eingangsgrößen wie der jeweils vorliegenden Gefäßwandkontaktwinkel einen bedeutend größeren Aufwand darstellte. Was praktisch unmöglich wird, wenn das Messgefäß keinen runden Querschnitt aufweist oder gar Ecken.
Die neue Technik eröffnet Analysemöglichkeiten über Kontaktwinkeleffekte, die besonders in Repetition erkennbar werden können und die bisher eher als unzugänglich betrachtet wurden, wie etwa die Variation der Zusammensetzung der Messflüssigkeit oder der driitten Phase (Luft, Gas oder eine nichtmischbare Flüssigkeit), der Meniskusgeschwindigkeit, einer linear beschleunigten Benetzung oder der Temperatur.

Die Steuerung von Abläufen in IMETER Messprogrammen erlaubt mit vergleichsweise wenig Aufwand die neue Technik anzuwenden. Die erforderlichen Rechengrößen sind zur Ausführungszeit verfügbar und reichen in parametrischer Form von der Pumpkolben-Volumenbilanz bis zur Dichte der Messflüssigkeit bei jeweiliger Temperatur. Das zur Pegelhaltung benötigte Pumpvolumen bzw. die bewegungssynchrone Fördergeschwindigkeit werden aus im Ablauf bekannten Größen dynamisch bestimmt. So wird beim Erstkontakt von Körper und Flüssigkeit die Fördermenge gemäß des dabei registrierten Menikusgewichts über die Flüssigkeitsdichte bestimmt und das entsprechende Volumen ein- oder ausgepumpt und die Referenzhöhe gesetzt. Das Ausgleichsvolumen beim Ein- und Austauchen wird über die Geometrie des Körpers, die Gefäßoberfläche und die Flüssigkeitsdichte sowie die Beweggeschwindigkeit berechnet. Die Geometrie des Körpers ist für das Verfahren nicht auf die Platten-, Kubus- oder Stabform begrenzt.

Um die Ergebnissicherheit zu erhöhen, wird ggf. vor und nach der Kontaktwinkelmessung die Oberflächenspannung der Messflüssigkeit direkt in der Kontaktwinkelmesszelle bestimmt. Platten-, Bügel- oder Ringmethode erfordern wie die Kontaktwinkelmessung eine waagerechte Flüssigkeitsoberfläche. Denn nur eine horizontal ebene Flüssigkeitsoberfläche ist druckfrei, wohingegen über einer gewölbten Oberfläche eine Druckdifferenz herrscht (vgl. Young-Laplace-Gleichung),  die zu falschen Ergebnissen führt. Für die Ringmethode wurde die neue Technik bereits eingesetzt - sie ermöglicht die metrologisch einwandfreie Anwendung bei kleineren Flüssigkeitsoberflächen.

Die Vorteile der neuen Methode(n) in Bezug auf das IMETER-MessSystem sind in der Richtigkeit der Ergebnisse, der Steigerung der Freiheitsgrade und im reduzierten Ressourcenaufwand (Material, Energie, Arbeitszeit) zu sehen. Das IMETER System bietet eine problemlose Skalierbarkeit des gesamten Messaufbaus. Die Pumpfunktion kann durch vorhandene Spitzenkolben den Mikro- bis Milliliterbereich abdecken. Außerdem kann die Pegel-Konstanthaltung durch im Flüssigkeitsraum untergebrachte hydraulische Stempel, Faltenbalge oder Hohlraumverdrängungen bewerkstelligt werden.
Das beschriebene Verfahren kann als unabdingbare Voraussetzung für richtiges Messen bei eine Reihe von entsprechenden Prüf- und Messtechniken gelten, deren Messprinzip von sehr großen bzw. unendlich ausgedehten Oberflächen ausgehen.
IMETER Anwender können die neue Technik ohne Weiteres anwenden. Im Datenblatt einer Messung ist lediglich die Gefäßoberfläche mit unendlich anzugeben, die Auswertung unterlässt daraufhin die konventionelle Niveaukorrektur. Beschleunigte Kontaktwinkelmessungen - also Messungen bei welchen die Benetzungsgeschwindigkeit einer berechneten linearbeschleunigung unterliegt- gibt es allerdings messtechnisch (noch) nicht. Bei Messung der Oberflächenspannung erwarten wir mit dieser Technik besonders bei der Ringmethode eine bedeutende Verbesserung in der Genauigkeit und Auflösung, da hier (auch) ein Jahundert altes Problem gelöst wird.